11.09.2010

Konformitätsdruck im Liberalismus

In einer auf individuellen Freiheitsrechten basierenden Gesellschaftsordnung stellt sich das Problem, wie die Verhaltensweisen der Individuen so kanalisiert werden können, dass die Ordnung reproduziert werden kann. Ziel gesellschaftlichen Konformitätsdrucks ist dabei insbesondere die Mittelschicht, die - anders als das Präkariat und die Eliten- aus ihrer Stellung zwischen Auf- und Abstieg besonders empfänglich für Anreiz- und Sanktionsmechanismen sind. Im Vergleich zu autoritären Gesellschaftsordnungen müssen die Konformitätsmechanismen jedoch subtiler sein, bestenfalls von der betroffenen Gruppe internalisiert werden. Das geschieht über einen Diskurs, der gesellschaftliche Risiken wie Krankheit, Arbeitslosigkeit, Armut etc als individuelle Herausforderungen umdeutet, die durch eine bestimmte Verhaltensweise (gesunde Ernährung, Flexibilität, Einsatzbereitschaft...) gemeistert werden können. Insbesondere die Kohorte der Dreissigjährigen, die noch nicht erfahren musste, dass Lebensläufe nicht design- und planbar sind, unternimmt enorme Anstrengungen, um die eigene Biografie in einem eng definierten Idealablauf ablaufen zu lassen. Abweichung gilt ihnen nicht als gesellschaftliche Rebellion, sondern als individuelles Versagen. Talent zu verschwenden, Chancen nicht zu nutzen gilt als die einzige Sünde der freien Menschen. Das Ergebnis individuellen Strebens nach der Ideallinie ist gesellschaftliche Konformität. Schärfere Mechanismen wirken auf Menschen, die über erhebliche Attraktivitätsressourcen verfügen. Attraktive Menschen werden daher bereits im prägbaren Alter mit direkten Konkurrenten kaserniert und indoktriniert (Modelagenturen, Castingshows). Der direkte Konkurrenzdruck unterläuft das Autonomie- und Machtpotential der attraktiven Menschen und führt zu gesellschaftlich konformen Verhaltensweisen.

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